1. Bundesgerichtshof (III ZR 277/01)
Für Schäden, die dadurch
entstehen, dass ein Polizeibeamter im Rahmen der gemeinsamen Dienstausübung
durch seinen Vorgesetzten (Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BayBG) systematisch und fortgesetzt
schikaniert und beleidigt wird (Mobbing), haftet der Dienstherr des Schädigers
nach Amtshaftungsgrundsätzen.
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2. Landesarbeitsgericht Thüringen ( 5 Sa 403/00)
Der Arbeitgeber ist verpflichtet,
das allgemeine Persönlichkeitsrecht der bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer
nicht selbst durch Eingriffe in deren Persönlichkeits- oder Freiheitssphäre
zu verletzen, diese vor Belästigungen durch Mitarbeiter oder Dritte, auf
die er einen Einfluss hat, zu schützen, einen menschengerechten Arbeitsplatz
zur Verfügung zu stellen und die Arbeitnehmerpersönlichkeit zu fördern.
Zur Einhaltung dieser Pflichten kann der Arbeitgeber als Störer nicht nur
dann in Anspruch genommen werden, wenn er selbst den Eingriff begeht oder steuert,
sondern auch dann, wenn er es unterlässt, Maßnahmen zu ergreifen
oder seinen Betrieb so zu organisieren, dass eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts
ausgeschlossen wird.
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3. Mobber riskieren fristlose Kündigung
Mobbing kann auch ohne Abmahnung und unabhängig davon, ob es in diesem Zusammenhang zu einer Störung des Betriebsfriedens gekommen ist, die außerordentliche Kündigung eines Arbeitsverhältnisses rechtfertigen, wenn dadurch das allgemeine Persönlichkeitsrecht, die Ehre oder die Gesundheit des Mobbingopfers in schwerwiegender Weise verletzt werden. Je intensiver das Mobbing erfolgt, umso schwerwiegender und nachhaltiger wird die Vertrauensgrundlage für die Fortführung des Arbeitsverhältnisses gestört. Muß der Mobbingtäter erkennen, daß das Mobbing zu einer Erkrankung des Opfers geführt hat, und setzt er sein Mobbing dennoch fort, dann kann auch für eine nur vorübergehende Weiterbeschäftigung des Täters regelmäßig kein Raum mehr bestehen.
LAG Thüringen 5 SA 102/2000
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4. Anspruch auf Schutz vor psychischen Gefahren
Ein Arbeitgeber hat auf Belange des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen und muß den Arbeitnehmer auch vor psychischen Gefahren schützen. Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf Schutz vor systematischen Anfeindungen und schikanösem Verhalten durch Kollegen und Vorgesetzte. Der Arbeitgeber muß sich auch das Verhalten derjenigen zurechnen lassen, die in seinem Namen handeln. (Ls. d. Verf)
LAG Nds., 16a Sa 139/99 v. 3.5.00
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5. Nach eigener Kündigung bei Mobbing keine Sperrzeit
Kündigt ein Arbeitnehmer von sich aus, verhängt das Arbeitsamt normalerweise eine 12wöchige Sperrzeit. Das tat es auch im Fall eines Buchhalters, der allerdings aus einem ganz besonderen Grund gekündigt hatte: Er war an seinem Arbeitsplatz extremen Mobbing-Attacken ausgesetzt, die zu einem gefährlichen Bluthochdruck geführt hatten, so daß die Arbeit unter diesen Umständen aus medizinscher Sicht nicht mehr vertretbar war. Da sein Arbeitgeber nicht willens war, Abhilfe zu schaffen, hat der man kündigen dürfen, ohne mit einer Sperre belegt zu werden.
Landessozialgericht Rheinland-Pfalz
L 1 AL 110/00
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6. Nach eigener Kündigung bei Mobbing verkürzte Sperrzeit
Wer sich als Arbeitnehmer gemobbt fühlt und kündigt, hat zwar nicht
unbedingt einen wichtigen Kündigungsgrund, kann aber auf eine kürzere
Sperrfrist beim Arbeitslosengeld hoffen. Der betroffene Arbeitnehmer hatte argumentiert,
sein Vorgesetzter habe ihn regelmäßig besonders intensiv kontrolliert.
Dabei seien bei ihm angebliche Fehler beanstandet worden, die bei seinen Kollegen
toleriert worden seien. Deshalb habe er sich zur Kündigung entschlossen.
In einem solchen Fall könne der Entschluss des Mitarbeiters, das Arbeitsverhältnis
von sich aus zu kündigen, «verständlich und entschuldbar»
sein.
LSG Rheinland-Pfalz L 1 AL 57/01
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7. Lügner werden entlassen
Tratsch am Arbeitsplatz ist üblich und nicht verboten. Bedingung: Es muß im zeitlichen Rahmen bleiben, und die Arbeit darf nicht darunter leiden. Artet der Klatsch nämlich in Lügen, Schikanen oder Mobbing aus, muß der Arbeitgeber notfalls demjenigen kündigen, der die Lügen in Umlauf gebracht hat.
LAG Niedersachsen 16a SA 1391/99
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8. Verdachtskündigung!
Über einen lehrreichen Fall einer Verdachtskündigung hatte das Arbeitsgericht Frankfürt a.M. zu entscheiden. Die Geldzählerin eines Geldtransportunternehmens wurde auf Verdacht fristlos entlassen, weil Geldscheine fehlten. In der Abteilung der Angestellten waren 20 Geldscheine zu 1.000,- DM verschwunden. Das Unternehmen stützte die Verdachtskündigung auf eine Videoaufzeichnung. Das Video zeigte die Frau zwar undeutlich beim hantieren mit einem Geldbehälter, eindeutige Hinweise gab es aber nicht. Das Ermittlungsverfahren gegen die Frau wurde von der Staatsanwaltschaft eingestellt. Das Arbeitsgericht hat der Kündigungschutzklage der Frau stattgegeben. Es habe der für eine Verdachtskündigung notwendige "dringende Anfangsverdacht" gefehlt.
Da durch eine Verdachtskündigung ein unschuldiger seinen Arbeitsplatz verlieren kann, werden strenge Anforderungen an eine Verdachtskündigung gestellt. Der Verdacht muß sich aus objektiven Umständen ergeben. Der Verdacht muß dringend sein. Die Vertragsverletzung, die vorgeworfen wird, muß von erheblichem Gewicht sein. Jede zumutbare Sachverhaltsauklärung muß von dem Arbeitgeber durchgeführt worden sein; insbesondere ist der Arbeitnehmer anzuhören. Letztlich muß der Arbeitgeber noch eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vornehmen.
ArbG Frankfurt a.M., 7 Ca 6296/00
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9. Beschäftigungsverbot für Schwangere auch wegen Mobbings
Ärzte können einer Schwangeren auch dann ein Beschäftigungsverbot bescheinigen, wenn Stress durch vermeintliches Mobbing das Kind gefährdet. Eine subjektive Stresssituation reicht dann aus, urteilte das Bundesarbeitsgericht in Erfurt. Im konkreten Fall hatte eine 30-jährige Sachbearbeiterin einer Spedition im Rheinland über Mobbing am Arbeitsplatz geklagt: Nach mehrfachem Streit mit dem Vorgesetzten sei ihr Bildungsurlaub ebenso verweigert worden wie Freizeit für die Vorsorgeuntersuchungen; ihr werde das Gefühl gegeben, sie müsse um ihren Job fürchten. Ihr Arzt bestätigte, die Schwangere wirke aufgelöst und gestresst, und bescheinigte ihr ein unbefristetes Beschäftigungsverbot. Ein solches Verbot sieht das Mutterschutzgesetz schon im Vorfeld des normalen Mutterschutzes vor, wenn die Situation am Arbeitsplatz Leben oder Gesundheit von Mutter oder Kind gefährdet. Der Arbeitgeber hielt die Stressbelastung für gespielt und verweigerte das Gehalt. Das Landesarbeitsgericht gab zunächst dem Arbeitgeber Recht: Es gebe keine objektiven Anhaltspunkte für Mobbing; der Stress habe nach ärztlichem Bekunden keinen Krankheitswert. In oberster Instanz hob nun das BAG dieses Urteil auf und verwies den Streit an die Vorinstanz zurück: Auch bei fehlendem Krankheitswert könne die subjektive Belastung am Arbeitsplatz einen "Gefährdungswert für das Kind" haben; dies reiche nach dem Mutterschutzgesetz aus. Es sei daher auch die "subjektive Stresssituation der Klägerin" zu prüfen, wenn diese zu "realen" Belastungen führe. Voraussetzung für ein Beschäftigungsverbot sei aber auch dann, dass der Stress im Zusammenhang mit der Arbeit stehe.
BAG 5 AZR 352/99
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10. Arbeitgeber müssen Mobber und Gemobbte auseinandersetzen. Eine Kündigung ist keine Lösung
Eine ordentliche Kündigung ist in der Regel nur dann durch Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers sozial gerechtfertigt, wenn dieser schuldhaft gegen die ihm obliegenden Vertragspflichten verstoßen hat. Dabei ist es nicht erforderlich, daß der Arbeitnehmer vorsätzlich gegen seine Vertragspflichten verstößt; es genügt vielmehr auch eine fahrlässige Pflichtwidrigkeit. Weitere Voraussetzung für die Wirksamkeit einer verhaltensbedingten Kündigung ist nach dem Kündigungsschutzrecht beherrschenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, daß der Arbeitnehmer zuvor wegen seines pflichtwidrigen Verhaltens abgemahnt worden ist. Abgemahnte Leistungs- und Verhaltensmängel erhalten nur dann kündigungsrechtliche Bedeutung, wenn erneut Pflichtwidrigkeiten der gerügten Art nach der letzten Abmahnung vorkommen. Dem Arbeitgeber ist es durchaus zuzumuten, durch eine Umsetzung des mobbenden Arbeitnehmers an einen anderen Arbeitsplatz die weitere Konfrontation zwischen dem mobbenden Arbeitnehmer und den übrigen Mitarbeitern zu vermeiden. Dabei ist es unerheblich, ob der Mobber oder die Arbeitnehmer, die von der Umsetzung betroffen wären, mit dieser Maßnahme einverstanden sind.
Arbeitsgericht Göttingen 2 Ca 639/96
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11. Keine Druckkündigung!
Auch wenn Mitarbeiter in einem Betrieb damit drohen, selbst zu kündigen, falls ihr Filialleiter vom Arbeitgeber nicht entlassen wird, darf der Chef ohne ein klärendes Gespräch und ohne den Versuch, die Wogen zu glätten, das Arbeitsverhältnis des Betroffenen nicht auflösen.
LAG Rheinland-Pfalz, 9 Sa 653/00
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12. Mobbing - Opfer: Schadensersatz I
Mobbing-Opfer haben nach einem Urteil des Bundessozialgerichts keinen Anspruch auf eine Gewaltopfer-Entschädigung. Eine Ausnahme sei nur dann zu machen, wenn "eine Kette von tatsächlichen und strafbaren Angriffen zu körperlichen Gesundheitsschäden" geführt habe.
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13. Mobbing - Opfer: Schadensersatz II
Erstmals hat ein Landesarbeitsgericht einen Mobber zu Schadenersatz verurteilt. Der Chef der Volksbank Grünstadt im Kreis Bad Dürkheim 15 000 Mark an den früheren Leiter des Geldinstituts zahlen. Das Gericht führte zur Begründung an, der Verurteilte habe über Monate hinweg "die persönliche Ehre und das berufliche Selbstverständnis des Mannes massiv verletzt".
Das Opfer war nach einer Bankenfusion von seinem neuen Vorgesetzten systematisch kalt gestellt worden. Der Richter sagte: "Er traktierte den Mann mit erniedrigenden und schikanösen Anweisungen, nahm ihm die Sekretärin, den Schreibtisch und schließlich das Büro weg."
Das Urteil hat für ähnlich gelagerte Fälle Präzedenz-Charakter.
LAG Mainz 6 SA 415/2001
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14. Mobbing - Opfer: Schadensersatz III
Das Landesarbeitsgericht Hamm verurteilte eine Vorarbeiterin den Verdienstausfall einer entlassenen Kollegin zu ersetzen, bis sie wieder ein neuen Arbeitsplatz gefunden hat. Die Kollegin verlor den Arbeitsplatz auf Grund wahrheitswidrigen Behauptungen der Vorarbeiterin.
LAG Hamm 8 Sa 878/00
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15. Mobbing: Schmerzensgeld I
Arbeitnehmer/innen können von ihrem Arbeitgeber Schmerzensgeld wegen "Mobbings" beanspruchen, wenn sie konkret darlegen, dass es sich bei seinem Verhalten "um dauerhafte systematische degradierende oder beleidigende Handlungen" gehandelt hat und sie dadurch "psychisch beeinträchtigt" wurden.
AG Lübeck 2 Ca 1850b/00
LAG Thüringen 5 SA 102/2000
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16. Mobbing: Schmerzensgeld II
Kein Schmerzensgeld, wenn Attacken zu weit auseinander liegen
Schikanen im Job sind nur dann Mobbing, wenn sie in einem engen zeitlichen Zusammenhang stehen. Neun Vorfälle in drei Jahren sind zu wenig. Für Mobbing ist ein systematisches Vorgehen erforderlich.
LAG Bremen 3 SA 78232/03
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17. Mobbing - Sexuelle Belästigung
Weil er Kolleginnen begrapschte, hat ein 30 Jahre alter Altenpfleger seinen Job verloren. Das Celler Arbeitsgericht wies seine Kündigungsschutzklage ab. Der Pfleger hatte zunächst einer Frau an den Busen gegrapscht und sich dafür eine saftige Ohrfeige eingefangen. Dennoch tätschelte er danach einer anderen Kollegin auch noch den Po. Das reichte zum Rauswurf. Das Arbeitsgericht Lübeck urteilte außerdem, daß der Griff an den Busen einer Arbeitnehmerin ein derart massiver Angriff auf ihre Würde ist, dass sich der Arbeitgeber schützend vor sie stellen kann. Grapscher riskieren also eine außerordentliche (fristlose) Kündigung.
ArbG Lübeck,1 Ca 2479/00
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18. Mobbing - Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz durch SMS
Der Arbeitgeber sprach gegenüber dem seit knapp 12 Jahren bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer eine fristlose Kündigung aus, weil dieser während der Arbeitszeit eine SMS an eine 20 Jahre alte Auszubildende sandte. Diese hatte den Inhalt: "Du geiles Etwas, heute komme ich zu Dir dann bumsen wir eine Runde". Die vorherigen Annäherungsversuche des Arbeitnehmers waren von der Auszubildenden allesamt zurückgewiesen worden.
Das Verhalten des Arbeitnehmers habe einen wichtigen Grund zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegeben. Dies ergebe sich bereits aus den Wertungen des Beschäftigungsschutzgesetzes. Danach sei der Arbeitgeber verpflichtet, die Beschäftigten vor sexuellen Belästigungen wie der vorliegenden Art zu schützen und im Einzelfall angemessene arbeitsrechtliche Maßnahmen gegen den Störer zu ergreifen. Der Arbeitgeber sei nicht verpflichtet gewesen, das Fehlverhalten lediglich abzumahnen.
LAG Rheinland-Pfalz 9 Sa 853/01
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19. Mobbing - Folgen sind keine Berufskrankheit
Psychische Erkrankungen durch Mobbing tauchen nicht in der Berufskrankheitenverordnung auf. Sie müssen auch nicht wie eine Berufskrankheit entschädigt werden, da es bislang keine wissenschaftlich gesicherten Erkenntnisse dafür gebe, dass Mobbing eine bestimmte Berufsgruppe krank machen kann.
Sozialgericht Dortmund S 36 U 267/02
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