Einführung in das deutsche Recht - Öffentliches Recht

1. Verfassungsgeschichte

Bereits im Mittelalter existierten im deutschsprachigen Raum grundlegende Vorschriften, die man als eine Art von Verfassungsrecht ansehen kann. Die „Goldene Bulle“ von 1356 bestimmte die Formalien der Königswahl und die Anzahl der Kurfürsten. Nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges 1648 wurde die zentrale Staatsgewalt erheblich geschwächt. Entwicklungsimpulse lieferte die französische Revolution, die auch in Deutschland Forderungen nach Reformen und der Beachtung von Menschenrechten hervorrief. Das Heilige römische Reich deutscher Nation fand sein Ende mit der Abdankung von Kaiser Franz Josef im Jahr 1806. 1815 bildete sich der Deutsche Bund als Vereinigung souveräner Fürsten. Die einzelnen Länder gaben sich nach und nach eigene, monarchistisch ausgerichtete Verfassungen. Mit der Revolution von 1848 versuchten bürgerliche Kreise, eine Vereinigung Deutschlands zu erzielen und Grundrechte in eine Verfassung zu integrieren. In der Frankfurter Paulskirche tagte eine Versammlung, die eine demokratische Verfassung entwickelte – welche nie in Kraft trat. Preußische und österreichische Truppen beendeten den Versuch, einen demokratischen deutschen Nationalstaat zu schaffen, mit Gewalt.

1870/71 wurde das Deutsche Reich gegründet. Seine Verfassung festigte die starke Zentralgewalt des Staates und enthielt die Grundrechte nur als allgemeine Zielvorstellungen. Nach dem ersten Weltkrieg beendete die Revolution von 1918 – ausgehend von Arbeitern und Marinesoldaten - die Monarchie und führte zur Gründung der Weimarer Republik. Auch hier existierten noch keine verfassungsmäßig verankerten Grundrechte. Die Nationalsozialisten machten sich diverse Schwächen der Weimarer Verfassung zu Nutze, um an die Macht zu gelangen. Ab 1933 wurden die bestehenden Rechtsstrukturen zu Machtmitteln der Nazis umgewandelt. Grundrechte existierten de facto nicht, Sondergerichtshöfe und Verhaftung ohne gerichtliche Anordnung waren üblich. Ein unrühmliches Kapitel der deutschen Rechtsgeschichte sind die Sondergesetze gegen Juden, die ganz offiziell die Rechte von Deutschen jüdischen Glaubens einschränkten oder aufhoben. Der Massenmord an Juden und politisch Andersdenkenden in Konzentrationslagern wurde zwar auf politischer Ebene beschlossen, jedoch wurde nicht mehr der Versuch einer rechtlichen Legitimation unternommen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde mit Zustimmung der Alliierten 1949 das heute noch geltende Grundgesetz als Verfassung geschaffen, die die Grundrechte ausdrücklich garantiert. Dabei wurde zwischen Menschenrechten und den spezielleren Bürgerrechten differenziert. Es wurde eine Gewaltenteilung bei den drei Staatsgewalten Legislative, Exekutive und Judikative vorgenommen. Fehler der Weimarer Zeit – etwa die erheblichen Befugnisse des Reichspräsidenten und die relativ einfachen Möglichkeiten zur Änderung der Verfassung oder zum Sturz der Regierung – wurden bewusst behoben. Eine der seit 1949 vorgenommenen Änderungen waren die Einführung der Wehrpflicht und die Schaffung der Bundeswehr 1956. Seit 1990 gilt das Grundgesetz auch für das Gebiet der ehemaligen DDR.

2. Öffentliches Recht heute

Grundsätzlich werden im öffentlichen Recht die Bereiche Verfassungsrecht und Verwaltungsrecht unterschieden. Das deutsche Grundgesetz garantiert Grundrechte wie die Menschenwürde, das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit, auf Gleichheit, Glaubensfreiheit, freie Meinungsäußerung und den Schutz der Familie. Auch Versammlungsfreiheit, Freizügigkeit, das Brief- und Fernmeldegeheimnis sowie Berufsfreiheit, die Unverletzlichkeit der Wohnung und Eigentumsfreiheit sind Grundrechte. Während Grundrechte wie die Beachtung der Menschenwürde, die Gleichheit aller vor dem Gesetz oder die Glaubensfreiheit und die Unverletzlichkeit der Wohnung als Rechte aller Menschen definiert werden, gelten bestimmte Grundrechte nur für deutsche Bürger – so etwa die Versammlungsfreiheit oder die Vereinigungsfreiheit, die Freizügigkeit im Bundesgebiet und die Berufsfreiheit. Grundrechte können nur durch ein Gesetz und unter bestimmten Voraussetzungen und Einschränkungen eingeschränkt werden.

Das Grundgesetz regelt darüber hinaus die gesamte Staatsorganisation, die Ausgestaltung der Staatsorgane wie Bundestag und Bundesrat, das Gesetzgebungsverfahren und die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern. Die Länder haben jeweils eigene Landesverfassungen.

Die Verwaltungstätigkeit der Behörden wird durch das Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) geregelt. Ein wichtiger Grundsatz dieses Gesetzes ist der Untersuchungsgrundsatz, nach dem die Behörden den für eine Entscheidung relevanten Sachverhalt von Amts wegen selbst zu untersuchen haben. Sie sind damit nicht an das Vorbringen der Beteiligten gebunden. Wichtige Rechte der Beteiligten bzw. der Bürger sind das Recht auf Anhörung, sofern in ihre Rechte eingegriffen wird, sowie auf Akteneinsicht und auf Wahrung ihrer persönlichen Geheimnisse. Das Gesetz regelt auch, wann und wie ein Verwaltungsakt zu Stande kommt. Verwaltungsakte – also formelle Handlungen oder Entscheidungen des Staates gegenüber dem Bürger - müssen inhaltlich bestimmt sein und können mit Nebenbestimmungen – etwa Bedingungen, Befristungen oder Widerrufsvorbehalten - versehen werden. Ergeht ein Verwaltungsakt schriftlich, muss die Behörde ihn begründen.

Viele Bereiche des öffentlichen Rechtes sind durch spezielle Gesetze und landesrechtliche Vorschriften geregelt. Oft existieren bundesrechtliche Regelungen, die durch landesrechtliche Vorschriften ergänzt oder konkretisiert werden. So existiert nicht nur ein Bundes-Naturschutzgesetz, sondern die einzelnen Bundesländer haben auch eigene Landes-Naturschutzgesetze erlassen, um konkretere oder auf ihre Verhältnisse genauer zugeschnittene Regelungen durchsetzen zu können. Landesregelungen sind auch die Polzeiaufgaben – und Polizeiordnungsgesetze, Landesbauordnungen und Denkmalschutzgesetze. Einen weiteren wichtigen Bereich des öffentlichen Rechtes stellt das Sozialrecht bzw. Sozialversicherungsrecht dar. Die Einzelheiten der gesetzlichen Kranken, Renten- und Unfall- und Pflegeversicherung sowie auch z.B. die Voraussetzungen der Zahlung von Arbeitslosengeld sind in den bundesweit gültigen 12 Sozialgesetzbüchern geregelt. Für Klagen in Sozialversicherungs- oder Arbeitslosengeldangelegenheiten sind spezielle Sozialgerichte zuständig. Auch das Steuerrecht ist eine spezielle Materie des öffentlichen Rechts; es ist in einer Reihe von Einzelgesetzen geregelt – z.B. dem Einkommenssteuergesetz, dem Umsatzsteuergesetz und der Abgabenordnung. Für steuerrechtliche Klagen sind die Finanzgerichte zuständig.

Verwaltungsprozessrecht

Will sich ein Bürger gegen staatliches Handeln zur Wehr setzen oder dieses gar erzwingen, ist die Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) von 1960 maßgeblich. Sie enthält den Aufbau der Verwaltungsgerichtsbarkeit, regelt den Instanzenweg und die zur Verfügung stehenden Klagearten. Der Klage hat jeweils ein Vorverfahren bzw. Widerspruchsverfahren voranzugehen, bei dem der Bürger gegen einen Akt des Verwaltungshandelns – etwa einen Steuerbescheid oder die Versagung einer Baugenehmigung - Widerspruch bei der Behörde einlegt, die den Bescheid erlassen hat. Hält die Behörde den Widerspruch für berechtigt, hilft sie ihm ab, d.h. sie ändert ihren Bescheid im Sinne des Bürgers. Andernfalls ergeht ein ablehnender Widerspruchsbescheid, den die übergeordnete Behörde erlässt. Der Bürger hat nun die Möglichkeit, vor dem Verwaltungsgericht zu klagen.

Soll ein behördlicher Verwaltungsakt angefochten werden, ist die Klageart der Anfechtungsklage angezeigt. Will der Bürger ein Handeln der Behörde erzwingen, muss er Verpflichtungsklage erheben. Diese ist auch zulässig, wenn die Behörde auf einen Widerspruch nicht reagiert. Das Gericht kann die Behörde dazu verurteilen, einen Bescheid zu Gunsten des Bürgers zu erlassen. In vielen Fällen besitzt jedoch die Behörde einen Ermessensspielraum. Das Gericht darf in diesen nicht eingreifen, sondern die Behörde nur dazu verurteilen, eine Entscheidung im Rahmen ihres pflichtgemäßen Ermessens zu fällen.

Weitere wichtige Klagearten sind die Feststellungsklage, die der gerichtlichen Feststellung eines Sachverhaltes dient und die Normenkontrollklage, mit der Gesetze direkt angegriffen werden können. Für Fälle, in denen nur ein einfaches Handeln oder Unterlassen einer Behörde gefordert wird, welches keinen formellen Verwaltungsakt darstellt, ist die allgemeine Leistungsklage vorgesehen.

Für die Klageart der Verfassungsbeschwerde ist das Bundesverfassungsgericht zuständig. Ihre Grundvoraussetzung ist, dass zuvor alle anderen zulässigen Rechtsmittel ausgeschöpft wurden. Die Verfassungsbeschwerde kann jedes Handeln der Staatsgewalt als nicht verfassungsgemäß angreifen - also Gerichtsurteile, Handlungen oder Unterlassungen der Verwaltung. Gegen Gesetze kann nur Verfassungsbeschwerde erhoben werden, wenn sie unmittelbar und ohne weiteres Handeln der Behörden in die Grundrechte des Beschwerdeführers eingreifen.

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